Newsletter vom 08.03.04
Tourismus & Architektur: Rentabilität vor à„sthetik? Das Thema der gestrigen Veranstaltung des Tourismus Management Clubs (TMC), der Studierenden des Studienganges Tourismusmanagement der Freien Universität Bozen, im Brunecker Ragenhaus, lautete “à„sthetik im alpinen Tourismus – Die unterschätzte Komponente?“.
Die Universitätsprofessorin für Städtebau und Raumplanung der Universität Innsbruck und freie Architektin, Maria Schneider (Schneider & Partner) stellte in Ihrer Präsentation die “Interdisziplinäre Zusammenarbeit“ in den Vordergrund. Der international tätige Hotel- und Ressortplaner Karl Landauer (Atelier Landauer) dagegen plädierte für “Funktionalität und Rentabilität vor à„sthetik“.
“à„sthetik muß überall einfließen, nicht nur im Design“, betonte Maria Schneider. Als “Paradebeispiel für perfekt in die Natur integrierte Architektur“ definierte die Architektin das “Corte di Cadore“ von Edoardo Gellner in der Nähe von Cortina. Außergewöhnliche à„sthetik würde eine Region oder einen Ort definieren und könne Profil verleihen. Die Zusammenarbeit von Fachleuten, Architekten, Künstlern und mutigen Bauherren sei fundamental für das der Natur angepasste, perfekt ästhetisch-funktionale Produkt.
Laut Kurt Illmer (Illmer Consulting) “schafft à„sthetik die Identität des Ortes“. Illmers Überlegung: Im Vordergrund steht nicht so sehr der Gast als vielmehr der Gastgeber. Dieser muss sich mit seiner à„sthetik identifizieren was er dem Gast auch vermittelt. Bei so kleinen Strukturen wie in Südtirol, so Illmer weiter, könne und müsse es erlaubt sein seine eigene “à„sthetik“ in die Hotelplanung einfließen zu lassen. Illmers Rat: “Mut zur Eigenheit, zum eigenen Sein – zur à„sthetik“. Seine Definition: “à„sthetik ist, wenn der Wirt schön verdient“.
Um das Zusammenspiel der à„sthetik und Motivation, von à„sthetik und Ablaufplanung geht es Karl Landauer in seiner erfolgreichen Hotelplanung. Er betonte, dass sich der für den Gast sichtbare Bereich eines Hotels auf 60% beschränken sollte. “Unsichtbare“ Bereiche wie Warenanlieferungsweg, Mitarbeitereingang, Küche, Lüftung, Keller usw. müssten vor allem gut konzipiert sein. Dasselbe gelte auch für den sichtbaren Bereich. Landauer ist weiters davon überzeugt, Hotelarchitektur müsse absatzfördernd sein. So führen in seinen Hotels die Wege vom Hotelzimmer zum Restaurant an der Bar vorbei und die Saunas befänden sich in den hintersten Teilen von Wellnessbereichen. Damit gebe er dem Gast die Gelegenheit, sich in Szene zu setzen und wecke gleichzeitig neue Kundenbedürfnisse wie etwa die Zusatzleistung einer Massage oder die Lust auf einen Drink.
Andreas Braun von Swarovski Tourism Services, Wattens erklärte den Begriff à„sthetik mit dem Negativbeispiel der “Anästhesie“. Alles was die Sinne betäubt, Emotionen einschränkt, den Atem raubt ist keinesfalls à„sthetik. Braun rät in erster Linie dem Geist des Herren und nicht dem Zeitgeist zu entsprechen. Dies habe bereits Goethe erkannt. à„sthetik, wirtschaftlicher Ertrag und hohe Besucherzahlen müssten sich aber nicht widersprechen. Funktionalität und wirtschaftlicher Ertrag sind wichtig, doch was wären touristische Einrichtungen ohne Neuem, ohne Kunst und ohne Mut zur Echtheit und Eigenheit. Dem kulturpolitischen Auftrag der “Evolution der Sinnesempfindungen“ muss die Planung auch gerecht werden. Illmer und Braun stellten abschließend fest, daß in der Literatur der alpinen Hotelbauten fast ausschließlich Architekten der 20er bis 40er Jahre vorkommen. Gute Ansätze in der Neuzeit gäbe es, jedoch sei noch viel zu tun.
i.A. Birgit Oberkofler
Das Presseteam des Tourismus Management Club (TMC)
Ein Projekt des Laureatsstudienganges für Tourismusmanagement in Bruneck
Freie Universität Bozen