Tourismus und Sprachminderheiten – Gibt es nachhaltige Wechselwirkungen?

Bruneck, 17. Mai 2010, der Tourism Management Club (TMC) der Wirtschaftsfakultät der Freien Universität Bozen lud zu seiner letzten Veranstaltung in diesem akademischen Jahr ein.

Das spannende Thema “Tourismus und Sprachminderheiten – Gibt es nachhaltige Wechselwirkungen?“ zu dem die vier geladenen Experten Lisa Kofink von der EURAC- Research aus Bozen, Chasper Pult, Sprachwissenschaftler aus Sent (CH), Hans Heiss, Historiker und aus Brixen und Paul Videsott der Fakultät für Bildungswissenschaften an der Freien Universität Bozen geladen waren, stieß auf großes Publikumsinteresse.

Authentisch ist, ist gut. Alles Gute ist authentisch.

Hans Heiss eröffnet den Abend mit einem geschichtlichen Rückblick auf die Anfänge des Tiroler Tourismus. Die Alpen und ihre Menschen galten als ursprünglich und unverdorben und insbesondere die deutschsprachigen Randgebiete standen besonders hoch in der Wertschätzung der Gäste. Die Bergvölker und ihre Lebensgewohnheiten wurden erforscht und nicht selten gab es seitens der Gäste Unterstützung in jeglicher Form und die Empfehlung diese Gegenden zu bereisen. Diese Gäste bescherten den Einheimischen ein bescheidenes Einkommen und verhinderten und verhindern nach wie vor die Abwanderungen und erhöhen das Selbstbewusstsein der Bereisten. Es gab aber auch Momente in den 70er und 80er Jahren des 20 Jhd. wo so manche Minderheit ihre Identität zu verlieren drohte, weil ein gesundes Maß an Tourismusentwicklung mancherorts überschritten wurde. Ein Tourist ist in der Regel selbst eine Minderheit, der sich bei einer Minderheitsbevölkerung wohl fühlt.

Die wahre Erfolgsformel für eine positive Wechselbeziehung zw. Touristen und Minderheitsbevölkerung aber ist laut Heiss die Bewahrung der Ehrlichkeit und der Authentizität. Die ladinischen Täler, aber auch ganz Südtirol wird als Minderheit gesehen und wirkt anziehend auf den deutschen Gast, der die Region als Spiegel seiner Vergangenheit sieht.

Tourismus ist eine Chance wenn man sie nutzt

Paul Videsott dokumentiert am Beispiel ladinischer Gemeinden den Einfluss des Tourismus auf die Sprachminderheit. Der Tourismus beeinflusst die Minderheit sowohl positiv als auch negativ. Einerseits kommt viel Geld in das Tal und der Stolz der Einwohner dieser Minderheit anzugehören steigt. Andererseits steigen die Lebenshaltungskosten und ist so mancher gezwungen abzuwandern. Als Beispiel nannte er den hohen Ladineranteil in St. Lorenzen. Diese Familien sind ein Verlust für die ladinische Sprache, da die Assimilierung schnell vorangeht und bereits die dritten Generation das Ladinische verlernt hat. Daraus ergibt sich, zumindest im Bellunesischen, eine Tendenz: je mehr Gästebetten eine Destination vorweis, desto höher ist die Abwanderung der ladinischen Bevölkerung. Herr Videsott kritisierte weiters, dass die Gastgeber und die Tourismusverein sehr wenig bis gar nicht auf die ladinische Kultur Bezug nehmen und oft auch zu wenig darüber wissen. Hier gilt es neue Initiativen zu starten.

Für 95 % der Gäste ist das Vorhanden sein einer Minderheit kein Grund sich für eine Destination zu entscheiden.

In einer Studie von Lisa Kofienk wurden u.a. die Erfahrungen die Gäste mit der ladinischen Sprachminderheit und das subjektive Empfinden der heimischen Bevölkerung analysiert. Aus der Studie geht hervor, dass viele Gäste die Sprachminderheit und die Bräuche als Zusatzattraktion und somit als Überraschungsfaktor sehen, dies allerdings kein ausschlaggebender Faktor für die Urlaubsentscheidung ist. Für ein Viertel der Urlauber ist die Küche und die Sprachgewandtheit der Ladiner faszinierend. Frau Kofienk forderte die anwesenden Touristiker auf, die Eigenheit der Minderheit in touristische Pakete zu bündeln und somit für den Gast zugänglich zu machen.

Mehrsprachigkeit ist ein Privileg

Herr Chasper Pult, der Sprachwissenschaftler aus der Schweiz, begann seinen Vortrag mit einer kreativen Auflockerungsübung. Er vertrat die Meinung, dass Kultur zu komplex ist, um sie den Gast in 2 Wochen nahe zu bringen. Die Komplexität der Kultur muss für den Touristen in greifbare Produkte umgewandelt werden. Es gilt das Interesse des Gastes für die lokale Kultur mit einfachen Mitteln zu wecken. Herr Pult führte mehrere Beispiele aus der rätoromanischen Schweiz an. Er unterstrich, dass in den letzten Jahren weniger die Tourismusverbände, sondern mehr auf Initiative von Einzelpersonen zum Verständnis der Sprache und somit der rätoromanischen Kultur beigetragen wurde. Zum Beispiel wurden viersprachige Bücher veröffentlicht, die zu Bestsellern wurden. Oder das Einkaufssäckchen mit Zeichnungen aus dem Alltagsleben und den entsprechenden Begriffen in Romantsch. Auch das Dokumentieren und Erklären von alten Orts- und Flurnamen erzeugt bei den Gästen großes Interesse für die regionalen Besonderheiten. Graubünden wirkt auf den Gast anziehend, weil die Gastgeber ihre Kultur voller Selbstbewusstsein und nicht aus Marketinggründen zelebrieren.

Alle vier Referenten waren sich einig, dass der Schlüssel für eine positive Wechselwirkung zwischen Gast und Sprachminderheiten in der Authentizität der einheimischen Bevölkerung, in der Pflege der Sprache und Gebräuche und in der Mitteilung der kulturellen Besonderheiten an die Gäste liegt.

Der gelungene Abend klang nach bei einem kleinen Umtrunk im Foyer aus.

Der TMC bedankt sich abschließend für die gute Zusammenarbeit mit seinen Sponsoren der Raiffeisenkasse Bruneck, dem Skirama Kronplatz, Haidacher Getränke, Karo Druck, der Pustertaler Zeitung, der Mediatour Communication und Papyrex. .

Der Tourismus Club lädt auch im nächsten Jahr wieder zu interessanten Veranstaltungen an und hofft erneut auf eine große Besucherzahl.